WEIHNACHTEN 2025

Wenn Kinder den Stall von Bethlehem zeichnen, steht er üblicherweise frontal zum Betrachtenden, hat gerade Wände, und über dem Dach steht der Stern mit dem Schweif. Das ikonische Bild von Maria, Josef und dem Kind vermittelt eine freudige und friedliche Stimmung.
Und auch im Mittelalter sind Geburtsbilder noch „schön“ – farbig und rund, vollständig.
Anders stellt diese Szene der Maler Albrecht Altdorfer am Beginn des 16. Jahrhunderts in seinem Bild “Die Geburt Christi“ dar. Das Bild wirkt zeitgenössisch: Man hat das Gefühl, sich in einer Art Kriegslandschaft zu befinden, kein überirdischer Schein liegt um die Figuren.
In einer dichten schwarzen Nacht ist der Stall zur überdimensionierten Ruine geworden, wo Maria, Josef und das Kind in einer Ecke schräg zum Betrachter Platz gefunden haben.
In dieser Nacht aber gibt es Lichtquellen: Da ist einmal der Stall, der wie eine angestrahlte Kulisse wirkt. Am Himmel, den ein Verkündigungsbote durchfliegt, leuchtet ein übergroßer Mond mit einem Hof, und über den Ruinen schwebt eine Triade heller kleiner Engel. Das ebenfalls hell gemalte Kind ist ins Dunkel, in eine Ruinenwelt hineingeboren. Und trotzdem: Es ist seine Zeit, sein Anfang, für den es Kraft mitbringt, auch wenn die Umstände schwierig sind. Denn das Dunkel ist auf den zweiten Blick nicht übermächtig.

Neben der Präsenz der geflügelten Wesen in der Luft spendet ein Anblick besonderen Trost: Das Kind liegt hier nicht in der Krippe, auch nicht auf dem blanken Boden: Drei helle kleine Engel halten das Neugeborene in einem Tuch so über dem Boden, dass ihm die Erde nicht zu hart werde. Vielleicht ist es dieses Bild, das wir in unserer oft beängstigenden Zeit immer wieder in uns aufrufen können: Die Gegenwart des neuen Lebens inmitten der Ruinen, die Helligkeit der lichten Boten über der gar nicht heilen Erde und die Existenz des Tuches, in dem diese Boten das Kind halten.

Das Weihnachtslicht im Dunkel, das uns umgibt, mutvoll zu suchen und zu erkennen, damit es sich ausbreiten kann: Das ist ein immerwährender Auftrag an uns:

An uns Hirten.
An uns Könige.
An uns Menschen dieser Zeit.

Foto: A. Altdorfer, etwa 1530, Öl auf Lindenholz, Bild: wikicommons
Das Originalbild ist in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zu sehen.